Dies Haus ist mein und doch nicht mein
Beim Nächsten wird's genauso sein

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Pentagramm (Fünfeck)

Diese Symbole beziehen sich auf geometrische Zahlenverhältnisse wie den"goldenen Schnitt" und den "goldenen Winkel", die für die Handwerkskunst, wie in Friedrichs Schreinerei, bedeutsam waren.
Nachforschungen zu den Bewohnern, der Nutzung, und Geschichten und Gerüchten um das Hauses sind naturgemäß schwierig, da Zeitzeugen nicht mehr leben und viele Unterlagen verloren gingen. Hinweise sind zwar auch in den Niederschriften des Staatsarchivs Augsburg und dem Bistum Augsburg zu finden, die ältesten Einträge für Sonthofen reichen immerhin bis ca. 1650. Jedoch ist es nicht möglich, die Suche bei den ältesten Einträgen zu starten, weil zu der Zeit lediglich Namen ohne Objektzuordnungen zu finden sind. Die Reise muss also von den bekannten Eigentümern rückwärts durch die Archive beginnen. Da die Forschung durch die verschiedenen uralten Folianten wie Findbuch, Literalien, Briefprotokollbändern, Steuerregistern führt, sind besondere Erfahrungen und Kenntnise der alten Schreibweisen unabdingbar. Frau Lutzenberger M. A. aus Augsburg hat die Suche nach den Besitzerhinweisen übernommen. Im Folgenden lesen Sie, was aus der Vergangenheit des Hauses, seiner Besitzer und Bewohner bisher erforscht und zusammengetragen werden konnte. Demnach war das Gebäude zweigeteilt in die Hausnummern 11a und 11b. In der Regel erfolgte die Numerierung der Häuser nach der Reihenfolge ihrer Erbauung. Zu Bauzeit 1587 allerdings gab es noch keine Hausnummern. Diese wurden in Sonthofen erst im 18. Jahrhundert eingeführt. So mag es vielleicht sein, dass damals, als die Hausnummern vergeben wurden, noch Erkenntnisse über diese Reihenfolge bekannt waren. Das würde bedeuten, dass das alte Haus 1587 das 11. war, welches erbaut wurde. Diese Teilung entspricht auch den bauhistorischen Untersuchungen. So war ein separater Ausseneingang in den ersten Stock eine spätere Zutat. Die frühesten Besitzer, welche aus den Grundbüchern herauszulesen waren, waren Michael Gramann der das Anwesen an Joseph Ueth übergab (Haus 11b) und Johann Michael Aniser (Haushälfte 11a).

1720
Der Sonthofener Nagelschmied Michael Gramann tauscht im April mit dem neuen Besitzer Joseph Ueth eine halbe Behausung (Haus Nr. 11b).

1754
Ueth hatte damals den Tod seiner Ehefrau zu beklagen. Aus jenem Anlass gab er seinem Sohn Sebastian Ueth, der Nagelschmied war, das notariell besiegelte Versprechen, dass er ihm sobald er heiratet, die halbe Behausung überschreibt. 

1755
Joseph Ueth und der Maurer Johann Michael Aniser, der erstmalig als Besitzer von 11a erwähnt wird, sind in Sonthofen als Löschmänner eingesetzt, wie aus der Feuerwehr-Ordnung von Sonthofen jenes Jahres hervorgeht.

1762
Ein Grundbucheintrag aus dem Jahre 1762 dokumentiert, dass Johann Michael Aniser ein Saatfeld erwarb, welches am "Schwabenholz" (heute: "Schwäbeleholz") gewesen sein dürfte (das "Schwäbeleholz" ist ein nahe am Möggenriedhaus gelegener malerischer Bergwald, heutzutage mit Wanderwegen, Trimmpfad und einem Ehrenfriedhof). Der Wert aller Anisers im Grundbuch vermerkten Besitztümer wurde in jenem Jahr mit 180 Gulden beziffert. 1765 umfassten sie noch 119 Gulden, ein Jahr später 140 Gulden, 1769 sank sein Immobilienvermögen wieder auf 75 Gulden. Der Grund dieser Schwankungen hatte wohl damit zu tun, dass er Äcker bzw. Felder kaufte und wieder veräußerte. Mit der letzten Wertstellung anno 1771 wurde sein Besitz auf 81 Gulden erhöht, was wohl mit den Pflichtabgaben zu tun hatte - denn um 1770 waren alle Häuser in Sonthofen steuerlich neu eingeschätzt worden. Damals wie heute waren den Menschen zwei Dinge sicher: der Tod und die Steuer.

1765
Immerhin ganze 11 Jahre lang musste der alte Ueth warten, bis sein Stammhalter die Richtige, Anna Marie, gefunden hatte. Der entsprechende Eigentumsvermerk auf Sebastian Ueth folgte in jenem Jahr. Sebastian war Nagelschmied. Es kann vermutet werden, dass schon damals eine Nagelschmiede im Haus betrieben wurde. In den Grundbucheinträgen erwähnt wird eine mit dem Gebäude verbunde Nutzungserlaubnis, die sog. Nagelschmiedsgerechtigkeit. Und ebenso wie bei Aniser sind auch in Ueths Eintragungen zu seinem Vermögen Schwankungen vermerkt; es betrug 356 Gulden anno 1769, ab 1771 schlug auch bei ihm die Steuerneubewertung zu und erhöhte die Bemessungsgrundlage seiner Abgabenlast auf 369 Gulden. 1795 wurde sein Grundbesitz mit 150 Gulden bewertet. Ab 1796 sank es auf 142 Gulden und stand bei seinem Tod schließlich auf 93 Gulden. Die bauhistorische Forschung ergab, dass etwa zu jener Zeit auch eine Baumaßnahme erfolgte, bei der etliche Fenster versetzt worden waren.

1800
Zur Jahrhundertwende starb Michael Aniser. Josef Wiestner mit seiner Frau traten seine Besitznachfolge an. Auch Sebastian Ueth schloss in diesem Jahr seine Augen für immer. Seine Witwe Anna Marie Ueth verkaufte das Eigentum 11b an den Kajetan Ueth (dem Namen nach veilleicht ein Verwandter).

1813
Als auch Josef Wiestner starb, erfolgte der Alleineigentumseintrag auf seine Witwe. Noch im selben Jahr erwarb Nagelschmied Franz Joseph Wittwer den Gebäudeanteil 11a. Kajetan Ueth veräußerte in dem Jahr seien Gebäudeanteil 11b an Aloys Einsiedler.

1816
Die obere Haushälfte 11b wird von dem Nagelschmied Johann Nepomuk Faby erworben.

1819 bis 1856
In diesem Jahr segnete Franz Josef Wittwer das Zeitliche. Seine Witwe Kreszentia Marie wurde 1819 als Eigentümerin in den Grundbüchern verewigt. Zwischen den beiden Teileigentümern von 11a und 11b, Nepomuk und Kreszentia Marie, entspann sich offenbar eine innige Beziehung. Faby war zudem finanzkräftig genug, um noch im selben Jahr seiner Mitbewohnerin nicht nur ihren unteren Hausanteil samt Nagelschmiedsgerechtigkeit für 1000 Florentiner abzukaufen, sondern sie kurzerhand auch noch zur Ehefrau zu nehmen. Vorübergehend war das Haus damit in einer Hand. Der nebenstehende Grundbucheintrag dokumentiert, dass 1819 Kreszenzia Maria ihren Nepomuk heiratete und ihm für 1000 Fl (FL=Florentiner=Gulden) das Eigentum an der Schmiede übertrug. Übrigens, in den späteren Grundbüchern wurden die Besitztümer mit Flurnummern gekennzeichnet. Zwei Stück Grünland, beide nahe dem Hausbesitz, blieben fortan im Grundbuch zum Besitz gehörend vermerkt. Eins davon könnte noch jenes, von Aniser 1762 erworbene Saatfeld am Schwäbeleholz gewesen sein.
Grundb
Gem
Darstellung des Hauses anno 1831
auf einem Gemälde (Auszug)
Grb
1857-1889
Kurz vor der Jahrhundertwende wurden Straßenbezeichnungen eingeführt. Im Jahre 1857 erwarb es der Gemeindediener Josef Wüstner für 2300 Fl. Der damalige Hausname lautete "Ferb". Übrigens, in jener Zeit wurden Tapeten gesellschaftsfähig. Mit der Tapetenforschung kann seither ermittelt werden, welchen Wandschmuck die Bewohner damals bevorzugten.
Es folgten weitere Eigentümerwechsel mit jeweils unterschiedlichen, zum Teil sehr kurzen Besitzzeiten. Es wechselten mehrere Besitzer der Haushälften. Einer besaß das Haus gar nur wenige Monate lang bevor er es wieder veräußerte. Im Jahr 1868 z. B. waren die vier Nagelschmiede Köberle, Bader, Bühl und Mesnanz in Sonthofen tätig, sh.  "Reisehandbuch für das Königreich Bayern" von Dr. Julius Bernhard von 1868.


Damalige Bewohner des oberen Stockwerks waren der Steinmetz Ludwig Schraudolph und seine Frau Albertine, wovon auch eine alte Rechnung zeugt, die unter den Tapeten gefunden wurde. 1887 erblickte darin deren Sohn Robert Schraudolph das Licht der Welt, der zu einem namhaften Sonthofener Kunstmaler wurde. Auch Schraudophs verschönerten ihr Heim mit damals noch kostspieligen Tapeten.
Haus
Foto von 1887
1890-1912
Der nächste Eigentümerwechsel fand anno 1890 statt. Nagelschmied Anton Übehör übernahm den Betrieb für 4000 Mark. Seine Ehefrau war Hebamme, die das Heim mit feinen Tapeten verschönerte. Um 1900 wurde das Anwesen um das östliche Wohnhaus erweitert, als Austrag für Anton. Im Jahre 1907 war auch sein Tag gekommen. Sein Sohn Franz Serafin Übelhör, genannt "der Nagler" sollte nach ihm der letzte Nagelschmied im alten Haus sein. Franz führte die Schmiede noch sechs Jahre. Die beiden bisherigen Hausnummern 11a und 11b, Erd- und Oberschoss, wurden zu Mühlenweg 1 zusammengelegt und der neue Anbau an der Ostseite hieß künftig Mühlenweg 3. Er wurde fortan nur noch zu Wohnzwecken genutzt.

Nag
Nagelschmied Übelhör vor dem Haus mit Gesellen 1909
Ueb
Nagelschmiedemeister Anton Übelhör
Grundb

Fried
Schreinermeister Friedrich Möggenried
Grubu
1913-1948
1913 endete die Zeit der Nagelschmiede. Mit neuen Herstellungsmethoden verlor sie ihre Existenzgrundlage. Doch das Haus im Mühlenweg 1 blieb ein Haus des Handwerks. Schreinermeister Friedrich Möggenried bezahlte 8200 Mark für das Gebäude und betrieb darin mit Lohnarbeitern eine Parkett- und Möbelschreinerei.
Die ehemalige Nagelschmiede, vormals "beim Ferb" genannt, bekam den Hausnamen "Möggenried-Haus".
Friedrich brachte an der Fassade Aufsätze mit diesen Symbolen an, welche dem Haus fortan das charakteristische Aussehen verliehen. Drei Jahre später ließ man auch den inneren Wänden eine neue Ästhetik angedeihen.

Giebel

Übrigens wird das Fünfeck an der südlichen Giebelseite oft fälschlicherweise mit dem Davidstern verwechselt (obwohl der ja sechs Zacken hat). Tatsächlich bezieht sich das Pentagramm und die anderen Symbole aber auf den "Goldenen Schnitt", ein geometrisches Zahlenverhältnis, welches auch für das Schreinerhandwerk von Bedeutung ist.
1949 - 1959
Als 1949 Friedrich Möggenried starb, bewirtscbaftete
seine Witwe Karolina das Haus weiter. Im Nordostteil
betrieb das Ehepaar Hans und Lotte Mauerer eine 
Schneiderei. Als Alois Möggenried, ein Sohn von Friedrich
und Karolina, krank aus Kriegsgefangenschaft heimkehrte,
begann er neben seiner Arbeit als Milchkontrolleur eine Schweinezucht am Haus. In der Nachkriegszeit wohnten hier etliche verschiedene Leute, sogar eine schrullige Katzenmutter mit Dutzenden ihrer Vierbeiner. Auch die Bewohner der Nachkriegszeit gestalteten ihre Refugien mit Tapeten.
1960 folgte Karolina ihrem Mann ins Grab. Alois, der letzte im Haus wohnende Teileigenümer, nahm in den folgenden Jahren den Betrieb einer Schilderwerkstatt auf.
Karo
Karolina Möggenried
Grubuch
1967
endete auch Alois' Leben - vorzeitig und tragisch. Er wurde im Gaden im Erdgeschosses erschossen aufgefunden. Wenige Tage danach richtete sich einer der Hausmitbewohner selbst. Doch das ist eine andere Geschichte.Alo
Foto von 1965, im Bild Alois(rechts) mit Passanten
Alois
Alois Möggenried
Die bislang längste bekannte Periode, in der das Haus im Besitz einer Familie war, endete mit dem Verkauf durch die Erbengemeinschaft in jenem Jahr. Der folgende Hauseigentümer lebte nicht mehr selbst darin, sondern quartierte Gastarbeiter ein. 1983 kaufte es eine Baufirma auf, die es zum Abriss vorgesehen hatte. Über 20 Jahre lang verfiel das "Möggenried-Haus" zusehends.


2006
erwarb Familie Möggenried dieses historische Gebäude, welches seit 1586 zur Geschichte von Sonthofen gehört und 1913 auch zu einem Teil ihrer eigenen Vergangenheit, zurück, um es zu sanieren und wiederzubeleben. Der erste Ansatz dazu war die Entrümpelung und anschließend die Öffentlichkeitsarbeit. In den Jahren danach folgten das Gebäudeaufmaß, eine dendrochronologische Untersuchung, statische Berechnungen, restauratorische Befundungen, energetische Berechnungen, Bohrwiderstandsmessungen zur Holzdichtebestimmung, Nutzungsplanungen und Kostenschätzungen.

In Folge des I. Weltkriegs wurde auch in Sonthofen Notgeld hergestellt
Notgeld
Sonthofener Münze von 1917

HausMoe
Zustand 2006

 

_ Ludwig und Albertine Schraudolph
aus dem Buch "Robert Schraudolph"